Nominiert wird die Stadt Ibbenbüren im nördlichen Münsterland für die misslungene Radverkehrsführung auf dem Streckenabschnitt Heldermannstraße/Große Straße.
Die Stadt (genauer: das Ordnungsamt) ist selbst Straßenverkehrsbehörde. Leider besteht hier seitens der Stadt offenbar keinerlei Gesprächsbereitschaft, auch schweigt sich die Stadt darüber aus, warum die Lage der Verkehrssicherheit dienen soll. Vermutlich weiß sie es selber gar nicht?
Ende 2012 wurde ein 150m-Abschnitt in der Mitte der Strecke saniert, dabei wurde das Hochbord vom ehemals benutzungspflichtigen Radweg zurückgebaut zum reinen Gehweg. Ein Beweis fehlender qualifizierter Gefahrenlage auf der Fahrbahn. Doch leider wurde es versäumt, bei der Gelegenheit auf den Abschnitten davor und danach an der noch weiter bestehenden Radwegbenutzungspflicht zu rütteln.
Auf dem umgebauten Abschnitt sind die Fahrtrichtungen durch eine langgezogene Mittelinsel voneinander getrennt und jeweils 3,50m breit. Hier ist kein Platz, einen Radfahrer gefährdungsfrei zu überholen. An sich unproblematisch, man wartet eben die paar Sekunden ab. Allerdings sind die Fahrspuren durch einen Schutzstreifen unterteilt worden in 2,25m + 1,25m Schutzstreifen (inkl. der Markierung), was nebenbei die Kombination absoluter Mindestmaße nach den Empfehlungen für Radverkehrsanlagen (ERA 2010) darstellt. Dieser Schutzstreifen verleitet den Autofahrer dazu, doch zu überholen. Der Radfahrer ist ja jetzt schließlich gefühlt auf seiner "eigenen Spur". Und dies geschieht logischerweise mit kriminell engen Abständen. Ein 70cm breiter Radfahrer, der gerade einmal viel zu geringe 30cm Abstand zum bevölkerten Gehweg (Fußgängerzone) hält und dabei zufällig perfekt geradeaus fährt, hat nur die 25cm breite Schutzstreifen-Markierung als Abstand zum Restfahrstreifen. Dieser Restfahrstreifen ist schon mit handelsüblichen PKW nahezu vollständig ausgefüllt. So hat selbst ein VW Golf eine Breite zwischen beiden Außenspiegeln von mehr als 2m. Und hier fahren auch Linienbusse lang! Und auch deren Fahrer verlangen hier vom Radfahrer teils unter wüsten Beschimpfungen (vom Einsender mehrfach selbst erlebt), doch gefälligst auf den Streifen zu verschwinden, damit sie überholen können.
Die Krone setzt dem Ganzen der Verkehrsplaner auf. Er behauptet, der Schutzstreifen erhöhe die Verkehrssicherheit, weil dieser für einen erhöhten (!) seitlichen Sicherheitsabstand PKW Fahrrad sorge. Allein man fragt sich: wo soll der PKW-Fahrer diesen (sogar noch erhöhten) seitlichen Abstand eigentlich hernehmen? Richtig ist, dass hier gar kein Überholen möglich ist und solches auch nicht vom Verkehrsplaner durch Suggestiv-Streifen gefördert werden darf. Wenn eine Stadt unbedingt eine so große Mittelinsel braucht, muss sie das akzeptieren!
Auch die restliche Radwegbenutzungspflicht vor und nach dem Schutzstreifen-Abschnitt ist ohne jede Rechtsgrundlage und gehört entsprechend abgebaut.
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Am Rande zu solchen Problemen, die bundesweit gerade in Mode sind: Was ist eigentlich das Grund-Problem an der puren Fahrbahn, zu dessen Heilung seinerzeit dieser unsägliche Schutzstreifen eingerichtet werden musste?
Wenn schon Schutzstreifen, dann wäre hier ein "Soester Schutzstreifen" in der Mitte der Fahrspur statt am rechten Rand angebracht. Ein solcher schließt dichte Überholmanöver aus, weil die Radfahrer nun in der Mitte fahren. Diese Art Schutzstreifen in Engstellen wurde in Soest 2008 eingerichtet, sehr positiv angenommen und gewann 2013 den Deutschen Fahrradpreis.
Nachtrag: Die Stadt Ibbenbüren hat zur Pannenflicken-Nominierung wie folgt Stellung genommen: "Den Darstellungen auf ihrer Internetseite zur Bewerbung für den Pannenflicken 2015 muss ich mit allem Nachdruck widersprechen. Meiner Auffassung, dass es sich um eine regelkonforme Lösung handelt, wird nicht nur in der RAST 06 (Seite 83) sondern auch in der ERA (Seite 23) bestätigt. Die Lösung wird ebenfalls von der Bezirksregierung Münster, dem Ordnungsamt der Stadt Ibbenbüren, dem Kreis Steinfurt als Obere Verkehrsbehörde sowie von der Polizei als regelkonform angesehen. Anderenfalls hätten wir diese Lösung gar nicht umgesetzt.
Der Bereich der Großen Straße ist seit Dezember 2013 für den Verkehr freigegeben, hat sich nach unseren Erkenntnissen bestens bewährt und ist zudem unfallfrei. Die von uns umgesetzte kleine Lösung stellt sicherlich nicht das Optimum dar, ist aber ein guter Beitrag zur verkehrssicheren Abwicklung der dortigen Verkehre. Weiterhin sind wir bestrebt auch mit kleinen Schritten den bestmöglichen Kompromiss für ALLE Verkehrsteilnehmer planerisch umzusetzen.
Von Seiten der Stadt Ibbenbüren sind wir mehr als verwundert, dass ihr (renomiertes?) Portal kritiklos und ohne Rückfrage die Betrachtungsweise einer einzelnen Person veröffentlicht."
Wir meinen: Diese doch etwas einseitige Sichtweise kann man keinesfalls unkommentiert lassen. Hier unsere Antwort: "Vielen Dank für Ihre Stellungnahme. Leider können wir darin aber keine Argumente erkennen, die auf eine Fehleinschätzung unsererseits schließen lassen. Auch möchten wir betonen, dass wir Einsendungen von Pannenflicken-Nominierungen keinesfalls kritiklos veröffentlichen. Die Mitglieder der Initiative Cycleride sind aktive (Alltags-)Radfahrer und sehen sich als solche regelmäßig Situationen wie der bemängelten ausgesetzt.
Wie Ihnen sicherlich bekannt ist fordert die Rechtsprechung von einem Radfahrer einen Abstand zum Fahrbahnrand von 0,5 bis einem Meter, wobei jüngere Urteile eher zur oberen Grenze als zur unteren tendieren. Ein Radfahrer selbst ist etwa 0,75 Meter breit. Somit ragt ein Radfahrer schon beim geforderten Minimumabstand bis zur linken Kante der Markierung des hier bemängelten Schutzstreifens. Dem motorisierten
Verkehr suggeriert der Schutzstreifen eine "Revieraufteilung" und nicht wenige Kraftfahrer neigen in solchen Situationen zum Überholen, obwohl dies bei der verbleibenden Restfahrbahnbreite von 2,25 Metern nicht in
StVO-konformer, gefährdungsfreier Weise möglich ist. Resultat ist eine hochgradige Gefährdung des Radfahrers und im Falle eines Unfalls gibt es nur Verlierer. Der Radfahrer erleidet in der Regel erhebliche Verletzungen und der Kraftfahrer sieht sich dem Vorwurf ausgesetzt, den Unfall schuldhaft verursacht zu haben (obwohl er es vielleicht nicht besser wusste).
Vor diesem Hintergrund kann man zu keinem anderen Schluss kommen als zu dem, dass die fragliche Schutzstreifenmarkierung weder der Sicherheit des motorisierten Verkehrs noch der des Radverkehrs dient. Sollten Sie auch in Anbetracht obiger Ausführungen immer noch anderer Ansicht sein
so empfehlen wir Ihnen, den bemängelten Abschnitt regelmäßig in regelkonformer Weise und idealerweise zu Zeiten hohen Verkehrsaufkommens mit dem Fahrrad zu befahren (bitte aber äußerst vorsichtig, vorausschauend und aufmerksam, damit Ihnen das auch unfallfrei gelingt).
Zwei weitere Anmerkungen:
1. Die ERA2010 behandelt auf S. 23 in der Tat Schutzstreifen auf Fahrbahnen mit Mittelinseln bzw. Mittelstreifen. Auch wird dort eine Mindest-Restfahrbahnbreite von 2,25 Metern gefordert. Allerdings wird im anschließenden Satz eine Schutzstreifenbreite von 1,5 Metern und folglich eine Fahrbahnbreite von 3,75 Metern genannt im Gegensatz zu den hier vorliegenden 3,5 Metern. Ferner wird in der ERA2010 an mehreren Stellen eindringlich gefordert, eine Kombination von Mindestbreiten unbedingt zu vermeiden (siehe beispielsweise S. 24).
2. Mit dem Straßenverkehrsamt des Kreises Steinfurt stehen wir in regelmäßigem und guten Kontakt. Dort nimmt man nach unserer Erfahrung die Belange des Radverkehrs ernst und befasst sich zeitnah mit Beschwerden zu Mängeln und gefährlichen Führungen. Insofern sind wir zugegemenermaßen erstaunt, dass der Kreis Steinfurt der hier bemängelten Führung zugestimmt hat. Wir wären Ihnen sehr verbunden, wenn Sie uns Namen und Kontaktdaten des seinerzeit zuständigen Sachbearbeiters übermitteln könnten, damit wir dort die Hintergründe erfragen können."