"Natenom", wie ihn die meisten kannten, war einer der ganz großen Kämpfer für mehr Respekt, Akzeptanz und Sicherheit gegenüber Radfahrern. Unzählige Videos mit oft haarsträubend engen Überholmanövern veröffentlichte er mit dem Zweck, dass sich etwas ändern möge. Viele dieser Videos aus der Region Pforzheim sind von lauten Schockschreien begleitet, manchem lief es dabei kalt den Rücken runter. Dazu erstattete er eine erhebliche Anzahl von Anzeigen gegen diese Gefährder - fast immer ohne Erfolg. Jahrelang wurde der radfahrenden Gesellschaft damit gezeigt: Der Staat sorgt sich nicht um die Verkehrssicherheit von Radfahrern. Die Exekutive, die für die Überwachung von Verkehrsregeln zuständig ist, überwachte solche Verstöße nicht, ahndete aber auch offensichtliche trotz klarem Beweismaterial nicht.
Natenom waren auch die prinzipbedingten Gefahren von "Radwegen" wohlbekannt. Außerörtliche "Radwege" sind meistens nur Wirtschaftswege oder sonstige Wege, auf denen jeder laufen und fahren darf, der draufpasst, sofern keine besondere Beschilderung wie das Zeichen 260 für Einschränkungen sorgt. Auf diesen Wegen kann einem Radfahrer alles passieren, was auf der Fahrbahn (fast) undenkbar ist. Zahlreiche Untersuchungen attestieren sogenannten "Radwegen", aber auch echten Radwegen eine deutlich höhere Unfallwahrscheinlichkeit. Auf diesen Wegen verunglücken aufgrund von rutschigen Untergründen, Eis, Ästen, Schmutz, Hunden, Steinen usw. viele Radfahrer. Reifenpannen sind aufgrund der häufigen Scherben und Schlaglöcher viel zahlreicher, was ebenfalls zu Stürzen führen kann. Zudem kommen Radfahrer erheblich langsamer voran und werden regelmäßig stärker verdreckt. In Deutschland sind die Straßen (Fahrbahnen) oft tiptop, Radwege jedoch extrem selten. Vor allem werden sie nach Gutdünken der Verkehrsplaner gestaltet und gebaut, die sich unwahrscheinlich oft über die Vorschriften und Regularien zur Anlage von Radwegen hinwegsetzen und auch die Beschilderungen willkürlich aufstellen. Leider sind auch viele Fachplaner zu unwissend, um wirklich einwandfrei sichere Radwege zu realisieren.
Erfahrene Radfahrer wie Natenom wissen das und fahren - sofern der Weg nicht erkennbar gut UND ihnen bekannt ist - auf der Fahrbahn, wo sie nach §2 StVO grundsätzlich zu fahren haben.
Eine der wirklich großen Errungenschaften noch unter Verkehrsminister Scheuer war 2020 die Verankerung verschiedener Vorschriften in der StVO. Eine der wichtigsten war der Mindestüberholabstand von 1,5 m innerorts und 2,0 m außerorts.
Info des ADFC
Wenn sich alle Verkehrsteilnehmer daran halten und zudem angepasst fahren (§1 StVO) würden, wäre Andreas noch am Leben - und viele andere auch! Es ist ein Ding der Unmöglichkeit, allerorten sichere Radwege zu bauen, die zudem bei starkem Gefälle gar nicht zulässig sind - weil zu gefährlich. Es ist nicht nur unbezahlbar sondern auch klimaschädlich und - im Prinzip - unnötig. Wer nicht sicher überholen kann, muss warten. Viele Autofahrer überholen dennoch. Bei Gegenverkehr, durchgezogenen Linien, Sperrstreifen, Abbiegespuren uvm. Genug Futter für die Exekutive, Verkehrssünder massiv aus dem Verkehr zu ziehen.
Doch es passierte nichts - und nun wurde Andreas alias Natenom am 30.01. abends auf der Heimfahrt von einem 77-jährigen angefahren und tödlich verletzt. Auf einer seiner Hausstrecken. Ein Bericht der TAZ beschreibt die Situation besonders gut.
In Spanien wurde vor mehreren Jahrzehnten ein bekannter Radprofi von einem rücksichtslosen Autofahrer zu Tode gefahren. Sein Bruder engagierte sich daraufhin mit unzähligen Mitstreitern für mehr Respekt und Akzeptanz Radfahrern gegenüber. Seitdem ist in Spanien - und nicht nur dort - viel passiert. In dem Land, in dem es über weite Strecken überhaupt keine Radwege gibt (z.B. Mallorca, Teneriffa), nehmen die Autofahrer mittlerweile enorm Rücksicht, überholen nur, wenn wirklich frei ist und dann mit extrem großen Abständen. Grund: Die Strafen sind eklatant und die Polizei schaut NICHT weg!
Mit der FDP-Regierung wird sich dagegen nichts ändern. Sie hält selbst am unsinnigen Tempolimit von 100 auf Landstraßen fest, welches nur in sehr wenigen Ländern der Erde noch gefahren werden darf. Und viele Autofahrer fahren noch deutlich schneller. Auch bei Tempo 70 - wenn es denn eingehalten würde - wäre Natenom möglicherweise noch am Leben. Denn die Reaktionszeit ist so lang, dass man bei Tempo 100 30 Meter (!) Meter zurücklegt, um überhaupt mal auf die Bremse zu kommen. Wer da nicht topfit ist und perfekt sieht, hat bei Dunkelheit und Nässe ernsthafte Probleme - und gefährdet potenziell Radfahrer, Mofafahrer, Fußgänger.
Unsere Forderungen für mehr Verkehrssicherheit nach Antritt der Ampelregierung beinhaltete deshalb auch eine Reduzierung des Landstraßentempos auf 70 km/h und es wäre nicht gewagt, zu behaupten, die FDP trüge eine gewisse Mitschuld am Tod von Andreas Mandalka! Er wird und sehr fehlen, aber sein Tod darf nicht umsonst gewesen sein.
So darf es nicht weitergehen auf unseren Straßen, mit unserer Politik, Polizei und Justiz! Wir kämpfen jetzt, bis sich etwas ändert! Und richtig viele Menschen machen JETZT mit! Die permanenten, teils vorsätzlichen Gefährdungen gegen die Fahrer des umweltfreundlichen Verkehrsmittels Fahrrad müssen enden!
Der ADFC Pforzheim veranstaltet am 11.02.2024 eine Gedenkfahrt zum Unfallort.
Der ADFC Stuttgart realisiert eine polizeilich abgesicherte Zubringer-Fahrraddemo zur Veranstaltung in Pforzheim.
Wir erwarten nun von der Politik, der Gesellschaft und den Verbänden nachhaltig wirksame Schritte zur Verbesserung der Verkehrssicherheit im Allgemeinen und den Radfahrern im Besonderen - auch ohne (neue) Radwege!
Weitere Links:
https://twitter.com/adfc_stuttgart/status/1753693252199358497
https://ulrics.blog/2024/02/02/moerderverkehr-toetete-autopolizei-fahrradaktivisten-durch-untaetigkeit-niewieder-natenom-pforzheim-visionzero-radvolution/
https://adfc-magdeburg.de/2024/02/02/wenn-behoerden-nicht-handeln-natenom/
https://natenom.de/2019/12/erlebnisse-eines-radfahrers-bei-der-polizei-in-pforzheim/
https://twitter.com/WinneHermann/status/1753404167656267862
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