Filderstadt ist stolz darauf, seit 2010 zur Arbeitsgemeinschaft Fahrradfreunlicher Kommunen (AGFK) zu gehören. Tatsächlich müht man sich reichlich, Radfahren der Bevöklerung näher zu bringen und schmackhaft zu machen. Sogar einen eigenen Fahrradbeauftragten leistet sich die Stadt südlich des Stuttgarter Flughafens.
Leider nimmt sich die Stadt aber das Recht, die Radwege nach ihrem Gutdünken anzulegen und auszuschlidern, ob rechtlich zulässig oder nicht. Sieht der Bund seit 1997 Radfahrer auf der Fahrbahn als Regelfall vor, haben in Filderstadt selbst hochgradig untermaßige Radwege eine Benutzungspflicht. Deshalb ist Filderstadt seit Jahren unter den Nominierten des Pannenflickens und hat auch schon mehrere Preise eingeheimst.
Filderstadt hat zwei Gymnasien. An beiden Örtlichkeiten befinden sich Zwei-Richtungs-Radstreifen, was angesichts der Tatsache, dass hier täglich hochqualifizierte Lehrer zugange sind, umso befremdlicher wirkt. Denn Filderstadt wurde in den Medien oft genug kritisiert und Lehrern sollte die Sicherheit ihrer Schüler wichtig sein.
Dass ein benutzungsfplichtiger Zwei-Richtungs-Radstreifen in einer Einbahnstraße mit deutlichem Gefälle installiert wurde, ist allerdings schlichtweg inakzeptabel. Doch es ist noch zu toppen...... lesen Sie weiter!
Google-Maps-Link zur Örtlichkeit
Nachtrag: Die Reaktion aus Filderstadt auf die Pannenflicken-Nominierung:
"Filderstadt ist wieder dabei. Sicherlich für uns kein Grund zur Freude, aber ein Hinweis dafür, dass wir wohl von Seiten Cycleride besonders kritisch unter die Lupe genommen werden. Vielleicht liegt es daran, dass wir viele Radverkehrseinrichtungen haben, und zwar schon lange. So geben wir viel mehr Anhaltspunkte zur Kritik, als wenn wir gar nichts oder sehr wenig aufzuweisen hätten.
Nun zu Ihren Kritikpunkten:
Bei der Anlage am Gymnasium in Bernhausen handelt es sich um ein sehr frühe Radverkehrsmaßnahme, um den radelnden Schülern ein Angebot in der Konkurrenz zu den Autos (insb. Elterntaxis) zu machen. Ziel war seinerzeit, auf der Grundlage der rechtlichen Möglichkeiten den Radfahrern ein Angebot mit wenig Kreuzungsverkehr mit den KFZ zu unterbreiten. Zugegeben, aus heutiger Sicht würde man diese Anlage so nicht mehr anbieten. Da auch wir die aktuellen Regeln und Radverkehrsempfehlungen kennen, haben wir uns diesen, von Ihnen kritisierten Bereich seit geraumer Zeit planerisch vorgenommen und streben deshalb eine mit den heutigen Möglichkeiten des Regelwerkes konforme Lösung an. Bei unserem diesjährigen Radverkehrsaudit war auch dieser Bereich ein Punkt, bei dem sich die Beteiligten (Externe und Stadtinterne) für eine Änderung aussprachen. Wir befinden uns derzeit in der Abstimmungsphase.
Auch an der Wolfäckerstraße im Stadtteil Sielmingen handelt es sich um eine Maßnahme, die vor vielen Jahren insbesondere als Angebot an die radelnden Schüler zu sehen ist. Auch hier war das Ziel, möglichst wenig Kreuzungsverkehr Radler/KFZ entstehen zu lassen. Die seinerzeitigen Rahmenbedingungen ließen damals keine andere Lösung zu. Das Angebot wird von den Radlern gerne angenommen. Wie Ihnen sicherlich bekannt sein dürfte, besteht für die abmarkierte Spur keine Benutzungspflicht. Nach unserem Verständnis ist diese Anlage ein sogenannter "sonstiger" Radweg, für den es keine Benutzungspflicht gibt. Es ist lediglich ein Angebot und dabei soll es auch bleiben.
Wir hoffen, dass wir mit diesen Ausführungen zur Aufklärung beitragen konnten und würden uns freuen, wenn unsere Maßnahmen, die wir auf Grund des diesjährigen Radverkehrsaudits umsetzen wollen, um dem aktuellen Regelwerk gerecht zu werden, auf positive Resonanz bei Ihnen stoßen würden. Wir sind der festen Überzeugung und dies zeigen auch die Äußerungen des Vertreters der Landespolizei, der beim Audit dabei war, dass Filderstadt hier beispielhaft vorangeht, wenn es um die Umsetzung der aktuellen Regeln geht."
Unser Kommentar:
"Selbstverständlich begrüßt es die Initiative Cycleride, wenn Städte, Gemeinden und Kreise sich aktiv um die Verbesserung der Bedingungen für den Radverkehr bemühen. Auch wenden wir uns nicht prinzipiell gegen die Einrichtung von Sonderwegen für den Radverkehr. Ganz im Gegenteil, gute, sichere und zügig zu befahrende Sonderwege nutzen auch die Mitglieder der Initiative Cycleride gerne.
Filderstadt hat in der Tat frühzeitig damit begonnen, sich um eine Förderung des Radverkehrs zu bemühen. Vom Ansatz her ist das eine gute Sache, es resultiert daraus aber ein nicht unerheblicher Bestand von nicht mehr zeitgemäßen und ebensowenig regelkonformen Radverkehrsführungen. Dass ein "Update" nicht mehr regelkonformer Wege nicht in allen Fällen von heute auf morgen möglich ist, ist auch uns bewusst. Allerdings liegt die Änderung der gesetzlichen Rahmenbedingungen für Radverkehrsanlagen schon lange Zeit zurück. Ferner besteht als kurzfristige und kostengünstige Lösung in sehr vielen Fällen die Möglichkeit, Benutzungspflichten für regelwidrige und unsichere Radverkehrsführungen aufzuheben. Macht man von dieser Möglichkeit Gebrauch so demonstriert man damit eine zeitgemäße und zukunftweisende Behandlung des Radverkehrs.
Wie Ihnen sicherlich bekannt ist sehen Gesetzgeber und Rechtssprechung das Radfahren auf der allgemeinen Fahrbahn als Regelfall an. Dies beruht auf der Erkenntnis aus zahlreichen Studien und Untersuchungen, dass der Radverkehr dort in aller Regel am sichersten unterwegs ist. Die für die Anordnung einer Radwegbenutzungpflicht im jeweiligen Einzelfall detailliert nachzuweisende außergewöhnliche Gefahrenlage ist nach unseren Erfahrungen in sehr vielen Fällen nicht gegeben, vielmehr finden sich in vielen verkehrsrechtlichen Anordnungen lediglich Mutmaßungen und subjektive Einschätzungen. Wie kann man aber – abgesehen von der damit häufig verbundenen unnötigen Gefährdung des Radverkehrs – von (radfahrenden) Verkehrsteilnehmern Regeltreue erwarten, wenn man als zuständige Instanz bei verkehrsrechtlichen Anordnungen oder mit der Beibehaltung überholter Anordnungen selbst gesetzliche Regeln verletzt.
Zur aktuell nominierten Situation:
Es freut uns zu hören, dass hier eine regelkonforme Lösung gesucht wird. Gleichzeitig hoffen wir, dass diese auch zügig gefunden und umgesetzt wird. Eine Anregung dazu finden Sie beispielsweise in der Beschreibung zur Pannenflicken-Nominierung unter http://cycleride.de/index.php/component/joomgallery/filderstadt/bernhausen05-852 im Text unter dem Bild. Die dort vorgeschlagene Ausweisung einer Fahrradstraße wäre kostengünstig umzusetzen, würde den motorisierten Verkehr nicht nennenswert beeinträchtigen und vor allem böte sie den dort radfahrenden Schülern einen echten Sicherheitsgewinn.
Zur Wolfäckerstraße in Sielmingen (Pannenflicken-Nominierung aus dem Jahr 2012):
Entgegen Ihrer Auffassung besteht für die abmarkierte Spur nach unserer Überzeugung sehr wohl eine Benutzungspflicht. Dies gilt zumindest für die Einbahnrichtung, und das sogar in doppelter Hinsicht. Einerseits steht dort ein Zeichen 237 (vgl. Bild aus der 2012er Nominierung unter http://cycleride.de/index.php/component/joomgallery/pf2012/1207-filderstadt/12-f-sielmingen-8-549) und andererseits verpflichtet schon das Rechtsfahrgebot zur Benutzung der Spur.
Zuletzt erlaube ich mir noch ein Zitat aus Ihrer Nachricht:
"Wir sind der festen Überzeugung und dies zeigen auch die Äußerungen des Vertreters der Landespolizei, der beim Audit dabei war, dass Filderstadt hier beispielhaft vorangeht, wenn es um die Umsetzung der aktuellen Regeln geht."
Hierzu zwei Anmerkungen:
1) Wir respektieren ausdrücklich die Bemühungen in Filderstadt, sehen aber dennoch Bedarf für weiteres Umdenken. Ein Positivbeispiel aus unserer Sicht: Im Zuge mehrerer Pannenflicken-Nominierungen aus den letzten Jahren haben wir äußerst positive Erfahrungen mit dem Kreis Steinfurt gemacht. Dort wurden und werden bemängelte Situationen kurzfristig und ohne weitere Diskussionen entschärft. Dies nennen wir beispielhaft und wünschen uns für Filderstadt, dass sich die Entscheidungs- und Anordnungspraxis in eine ähnliche Richtung bewegt.
2) Da wir für Filderstadt auch unter Würdigung der bisherigen Bemühungen noch einiges Entwicklungs- und Umdenkpotential sehen gilt dies in Anbetracht Ihres Hinweises möglicherweise auch für den Vertreter der Landespolizei. Wenn Sie uns dessen Namen und Dienststelle mitteilen sind wir gerne bereit, ihn im Sinne eines konstruktiven Dialogs an unserem mittlerweile recht umfangreichen Kenntnis- und Erfahrungsschatz teilhaben zu lassen."